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Dienstag, 13. September 2011

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Beständige Werte

Täuscht mein Eindruck oder stimmt er, dass immer öfter Menschen in eine Krise geraten oder zumindest kurzzeitig aus der Bahn geworfen werden, den Halt verlieren, psychisch angeschlagen oder zumindest weniger belastbar sind? Warum sind immer mehr dem Druck der heutigen Zeit nicht mehr gewachsen? Warum nimmt die Zahl der psychisch Kranken zu. Ist unsere Gesellschaft einfach verweichlicht?

Könnte es aber auch sein, dass der immer häufigere Verlust von Gemeinschaften und beständigen Werten dabei eine Rolle spielen? Fühlen sich immer öfter Menschen seelisch einsam und alleine gelassen, trotz immer grösserer Wohndichte?
Ist es der Verlust von „sicheren“ Werten, der immer mehr Menschen verunsichert?

So ein beständiger Wert war noch vor wenigen Jahrzehnten, vermehrt die Familien-Gemeinschaft. Oft konnte man sich, gerade in einer Krise, auf die Familienwerte verlassen. Man war in eine Gemeinschaft eingebettet, die, weil sie die Nächsten waren, am ehesten Verständnis für ein Familienmitglied aufbrachten, wenn es aus dem Rahmen viel. Man fühlte sich auch eher verpflichtet, „seinen Eigenen“ zu helfen oder zumindest beizustehen.
Doch heute werden bereits zahlreiche Kinder und Jugendlichen diesem sicheren Gefühl einer starken Gemeinschaft beraubt, weil sich die Eltern trennen. Denn welche Bindung ist aus der Sicht eines Kindes sicherer, als die Gemeinschaft von Mutter und Vater? Doch dieser vermeintlich sichere Wert - auch in schwierigen Zeiten - entpuppt sich immer öfter als Illusion und diese Scheidungs-Kinder werden sich immer schwerer auf den beständigen Wert einer eigenen Partnerschaft verlassen können.
Aber auch viele weitere beständige Werte sind meiner Ansicht nach in unserer Gesellschaft verloren gegangen. Wer hat noch die Möglichkeit in einer behutsamen Dorfgemeinschaft zu leben und wer sieht darin auch noch einen vorwiegend positiven Sinn? Kann man sich auf unseren Staat verlassen. Gibt er uns ein sicheres Gefühl, das Gefühl einer Gemeinschaft - jeder für jeden? Wie lange gilt, was heute beschlossen wird. Welche „Werte“ werden dem Wohlstand des Einzelnen geopfert?
Ist mein Arbeitsplatz, mein Zuhause, mein Bankkonto, mein Gespartes, meine Alters-Rente oder gar meine (atomare) Umwelt sicher?
Aber auch die Gemeinschaft einer Kirche, mit ihren verlässlichen Abläufen im Kirchenjahr, gab früher viel mehr Leuten das Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit. Doch immer mehr sind inzwischen ausgetreten, weil sie den Sinn und den Wert nicht mehr erkennen können oder weil sie mit weltfremden Regeln und Gepflogenheiten oder einer gewissen Verlogenheit Mühe haben. Alternativ suchen dann manche die trügerische Gemeinschaft eines Chat-Raumes im Internet.
Ist langfristig gesehen, die Freiheit des Einzelnen, die grösstmögliche Verwirklichung seiner selbst und die individuelle Unabhängigkeit in einer Gesellschaft höher zu werten, als die beständigen Werte einer Gemeinschaft? Oder ist beides, mit gewissen Einschränkungen, möglich?

Meiner Meinung nach bedürfte es nur wieder ein bisschen mehr behutsame Achtsamkeit dem Nächsten gegenüber und ein bisschen weniger Eigennutz und Egoismus, um ein gesundes Mass zu finden. Dazu hat jeder - ab sofort - die Möglichkeit etwas beizutragen.

Ich meine:
Wir brauchen wieder ein paar beständige Werte mehr, als der unsichere Wert des Geldes oder einer kurzfristigen, individuellen Freiheit um jeden Preis.

® Copyright by Herr Oter





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4 Kommentare :

redfox hat gesagt…

Ein ähnliches Thema beschäftigte meinen Gesprächspartner und mich vor einigen Tagen.
Die Essenz daraus war, dass wir uns (jeder einzelne für sich) möglicherweise einfach zu wichtig nehmen.
Die Verlustangst wird immer größer, je mehr ein Mensch anhäuft - vielfach zählt in unserer Gesellschaft nur noch der materielle Wert ... aufzuhalten ist dies wohl nur schwerlich, die Generation unserer Kinder ist in diesen Überfluss, in diese schnelle Zeit hineingeboren worden, sie kennen es nur so.

Herr Oter hat gesagt…

Besten Dank für den interessanten Kommentar.
Ich stimme Ihnen vollkommen zu, wir nehmen uns persönlich zu wichtig, materielle Werte vergrössern die Verlustangst und sind vor allem für viele das Mass aller Dinge. Dabei scheinen mir die "Ärmeren" unter Ihresgleichen (3. Welt) zumindest nicht weniger glücklich.
Dass unsere Kinder nichts andere kennen, sehe ich auch als Hoffnung, dass sie damit genau so gut umgehen können, wie wir es mit den Veränderungen gegenüber unserer vorigen Generation konnten.
Liebe Grüsse und einen schönen Tag

Freundin hat gesagt…

Das ist wahrlich ein sehr interessantes Thema. Darum heisst meine Zukkunft "gemeinsam statt einsam". Ich werde mit meinem Mann in ein Mehrgenerationen-Haus ziehen, in 2-3 Jahren ( es ist noch in Planung ), wo Gemeinschaft gelebt werden soll. Ich feue mich schon darauf.
Liebe Grüsse

Herr Oter hat gesagt…

Das ist aber interessant.
Solche innovative Wohnformen (Mehrgenerationen-Wohnhaus, Alters-WG, Interessen-Wohngemeinschaften) finde ich sehr spannend und auch für die Zukunft unbedingt sinnvoll. Manchen Problemen (Einsamkeit, Arbeitsteilung, kostengünstige Lebensführung, Möglichkeit für Alleinerziehende, Altersperspektiven usw.) kann mit alternativen Wohnformen begegnet werden.
Hoffentlich kann man, vielleicht in einem Blog, über Ihre Erfahrungen im Mehrgenerationen-Haus lesen.
Ich wünsche viel Erfolg und sende liebe Grüsse