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Freitag, 25. Januar 2008




Bescheidenes Stiefmütterchen




Bildquelle: Elheim by pixelio.de - Nr. 401071


Viele, wurden schon oft „stiefmütterlich“ behandelt. Aber sicher am längsten, das allbekannte Stiefmütterchen selbst.
Denn erst nach 111 Jahren unermüdlichen Erblühens, hat es vor kurzem, endlich einen korrekten, wissenschaftlichen Namen erhalten: „Viola wittrockiana“.
Zwar war die, zur Familie der Veilchengewächse (Violaceae) gehörende Blume, vom schwedischen Botaniker Veit Wittrock bereits im Jahr 1896 erstmals beschrieben worden und erhielt zu seinen Ehren, 1925, auch den Namen „Viola wittrockiana“. Doch eine, nach wissenschaftlichen strengen Massstäben, gültige Veröffentlichung der Bezeichnung wurde schlicht vergessen - was lange Zeit nicht auffiel.
Dies merkte der Biologe Johannes Nauenburg vom Botanischen Garten der Universität Rostock, der 1986 über wilde Stiefmütterchen promoviert hatte. Zusammen mit seinem Kollegen Karl Peter Buttler aus Frankfurt, fügten sie jetzt ein Puzzle aus botanischen Arbeiten in Schweden, Dänemark, Österreich, Deutschland und England zusammen und dokumentierten so nun die Details der Züchtung nach den strengen, international gültigen Regeln.
Wenn in Zukunft von Mai bis September auf Balkonen und in vielen Blumentöpfen Garten-Stiefmütterchen in den unterschiedlichsten Farben von weiß oder gelb, rot oder blau bis hin zu violett spriessen, dann fällt ein kleiner später Ruhm von „Viola wittrockiana“ auch auf die beiden Beschreiber, Nauenburg und Buttler. Denn die allseits beliebte Blume heisst ab sofort, exakt und für alle Ewigkeit festgelegt: "Viola wittrockiana GAMS ex Nauenburg & Buttler".

Doch vermutlich wird auch weiterhin, landauf und landab, vor allem der gebräuchliche Name „Stiefmütterchen“ für die in Europa beheimate Blume verwendet werden.
Diesen ungewöhnlichen Pflanzennamen
deutet der deutsche Dichter, Schriftsteller und Journalist Friedrich Schnack sinngemäß so:
"Das grosse breite, unterste Kronblatt, gestützt auf zwei Kelchblätter, ist die Stiefmutter.
Ihr zu Seiten sitzen auf je einem Stühlchen die beiden gut gekleideten, eigenen Kinder - zuoberst dann die zwei schlichten Stiefkinder, die zusammen mit einem Stühlchen vorlieb nehmen müssen. Der bedauernswerte Vater wird durch den Blumenstempel veranschaulicht. Infolge des Unfriedens in seiner Familie, hat er weißes Haar bekommen, vor Kummer verkriecht er sich in seinen Fusssack, aus dem er kaum herausschauen kann. Er kommt erst zum Vorschein, wenn die anderen "ausgegangen", d. h. abgefallen sind".
Das Stiefmütterchen, mit seinen ernsten, meist aber "lächelnden Gesichtern" auf seinen Blütenblättern, wird aber je nach Gegend auch als Dreifaltigkeitskraut, Christusauge, Herzenstrost, Schöngesicht oder Mädchenauge bezeichnet.

Bis heute spricht man von „stiefmütterlicher Behandlung“, wenn jemand einen anderen Menschen vernachlässigt - und, vermutlich nicht zufällig ist das Stiefmütterchen auch das Symbol der Freidenker in Frankreich und in Österreich.
Auch war das Blümchen schon im Mittelalter, das Sinnbild für gute (humanistische) Gedanken.
Die älteste Legende zum Stiefmütterchen stammt aus der griechischen Mythologie: Jupiter verliebte sich demnach in die ungewöhnlich schöne Io. Als seine Frau Juno dies bemerkte, verwandelte sie Io in eine weiße Kuh. Die unglückliche Io bemerkte erleichtert, auf einer Wiese grasend, dass die Blumen um sie herum Gesichter hatten, die denen ihrer Freunde glichen. Die Herrin der Natur, Kybele, soll ihr diesen kleinen Trost verschafft haben.
Später findet sich das Stiefmütterchen im Zusammenhang mit Napoleon wieder. Als er 1814 ins Exil nach Elba gehen musste, wählten die Bonapartisten Viola als Losungswort. Als er 1815 nach Frankreich zurückkehrte, wurden Flugblätter gedruckt, auf denen sein Gesicht in der Mitte eines Stiefmütterchens gedruckt war. Die französische Bezeichnung für das Stiefmütterchen lautet pensée.
Neben dem Bild war der Text “Unique pensée de la France” (Frankreichs einziger Gedanke) zu lesen. Darum sandten sich im 19.Jhdt. die Verliebten, Stiefmütterchenbouquets „Pensées", als Zeichen der Treue und des Aneinanderdenken.
Auch in Shakespeares „Sommernachtstraum“ tritt das Stiefmütterchen auf. Oberon benutzt den braunen Saft der Pflanze als erotisches Zaubermittel, um die Elfenkönigin Titania in sich verliebt zu machen. Die Mixtur für diesen Liebeszauber wurde seither nur unter Frauen weitergegeben und soll somit auch hier nicht verraten werden. Nur eins: Die Stiefmütterchen müssen frisch und zu einer ganz bestimmten Tageszeit geerntet werden. So haben diese Pflanzen für die wissenden Frauen eine nicht zu unterschätzende Wirkung bei der Zubereitung von Liebestränken und für uns Männer ist das Stiefmütterchen in der Blumensprache das Sinnbild für Erinnerung und die Kraft der liebevollen Gedanken.
Die, inzwischen durch Kreuzungen mehrjährige Krautpflanze, ist eine, bereits im Mittelalter bekannte, harn- und schweißtreibende, blutreinigende Heilpflanze. Das „nützliche“ Stiefmütterchen, im Volksmund unter anderem auch als "Freisamkraut" bekannt, galt in der bäuerlichen Hausapotheke einst als wirksames Mittel zur Behandlung des Milchschorfs bei kleinen Kindern. Wegen seinem Kalk, den Magnesiumsubstanzen, den Wirkstoffen Saponine und Flavonoide und seinen Salicylsäure-Verbindungen wird das „lächelnde“ Pflänzchen auch heute noch von der moderne Wissenschaft zur Heilung empfohlen: Äusserlich angewendet vor allem bei Akne und juckenden Hauterkrankungen (Ekzemen) oder als (kalt angesetzter) Dreifaltigkeitstee bei Gicht, Rheuma oder Husten. Sehr gut sind auch Stiefmütterchenbäder. Ausserdem soll es bei Arterienverkalkung helfen. Wilde Stiefmütterchen eignen sich als Entschlackungsmittel oder zur Blutreinigung. Zudem zählen sie zu den essbaren Blüten, die kandiert zur Dekoration von Desserts oder Kuchen oder als Süßigkeit verwendet werden können.
Und zum Schluss noch die schönste Legende, die sich um das ständig etwas traurig wirkende, freundlich nickende Stiefmütterchen rankt: Es heisst, dass es einst einen betörenden, sinnlichen Duft hatte. Die Menschen, die daran riechen wollte, trampelten dabei aber das Getreide rund um die Pflanze kaputt. Da bat das bescheidene Stiefmütterchen Gott, ihm den verlockenden Duft doch zu nehmen - seitdem duftet es nicht mehr.
Schade!
©/® Copyright by Herr Oter 



Bildrechte bei Angelika Wolter / pixelio.de Nr. 580249



:-)

1 Kommentar :

Anonym hat gesagt…

Danke für diesen schönen und interessanten Bericht über das "Stiefmütterchen". Ich habe erst beim Lesen gemerkt, wie wenig ich über diese - für mich geheimnissvolle - Blume weiss.